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Das 4MAT-System – Ein ganzheitliches Modell für erfolgreiches Lehren und Lernen

Diagramm des 4MAT-Systems mit den vier Hauptlernweisen
Darstellung des 4MAT-Systems – Ein Modell für effektives Lernen und Lehren © World of NLP

In den letzten 30 Jahren habe ich viele didaktisch gut aufgebaute Seminare gesehen, aber auch viele richtig schlechte. Seit mehr als 25 Jahren bilde ich nun Jahr für Jahr neue Generationen von Trainerinnen und Trainern aus. Dabei unterrichte ich das 4MAT-System. Es hat sich tausendfach bewährt. In dieser Artikelserie möchten wir von Ausgabe zu Ausgabe immer mehr Feinheiten dieses Modells vorstellen.

Stell Dir vor, Du sitzt in einem Seminar und der Trainer beginnt ohne jede Einleitung, Dir sofort eine Fülle von Fakten und Modellen zu präsentieren. Er spricht über komplexe Theorien, zeigt Diagramme, die aus dem Nichts kommen, und Du hast kaum Zeit, die Inhalte zu verarbeiten. Du fragst Dich: „Warum ist das eigentlich wichtig für mich? Wie passt das zu meinem Arbeitsalltag? “ Doch diese Frage bleibt unbeantwortet, weil der Trainer sich ganz auf die Theorie konzentriert hat und nie erklärt, warum das Thema für Dich relevant ist. Schnell merkst Du, wie Deine Aufmerksamkeit schwindet und das Seminar sich endlos anfühlt.

Oder eine andere Situation: Der Trainer startet das Seminar mit einer langen und emotionalen Geschichte über das Thema. Das weckt zwar Interesse, aber statt diese Verbindung zu nutzen, springt er direkt zu einer praktischen Gruppenaufgabe, ohne die nötigen Grundlagen zu erklären. Du und die anderen Teilnehmenden fühlen Euch überfordert und unsicher. Niemand weiß genau, worauf die Übung abzielt, und die Ergebnisse bleiben oberflächlich. Am Ende fehlt der klare Aha-Moment, weil das „Was“ einfach übersprungen wurde.

Solche Szenarien sind typisch für Trainings, bei denen der Lernprozess unausgewogen ist und nicht alle Bedürfnisse der Teilnehmenden berücksichtigt werden. Genau hier setzt das 4MAT-System an: Es bietet Dir eine klare Struktur, die sicherstellt, dass Du jeden Lernstil ansprichst und einen sinnvollen Ablauf schaffst. Indem Du die Fragen „Warum?“, „Was?“, „Wie?“ und „Was wäre, wenn?“ systematisch behandelst, kannst Du Deine Seminare so gestalten, dass sie sowohl tiefgründig als auch inspirierend sind. In diesem Artikel erfährst Du, wie das 4MAT- System funktioniert und wie Du es in Deinen Trainings effektiv einsetzen kannst. In den folgenden Ausgaben gehen wir dann auf jeden Quadranten noch viel genauer ein und zeigen, welche NLP-Techniken verwendet werden können, um die Lernziele der einzelnen Quadranten besser zu erreichen.

Hintergrund zum 4MAT-System

Das 4MAT-System wurde in den frühen 1980er Jahren von Bernice McCarthy entwickelt. McCarthy war eine erfahrene Pädagogin, die sich intensiv mit Lernstilen und didaktischen Methoden beschäftigte. Ihre Erfahrungen im Bildungswesen zeigten ihr, dass traditionelle Lehrmethoden oft einseitig waren und viele Lernende nicht erreichten. Diese Erkenntnisse motivierten sie dazu, ein neues Modell zu entwickeln. Inspiriert von der Lernstiltheorie von David Kolb und dessen Modell des Experiential Learning Cycle, kombinierte sie Kolbs Ansatz mit ihren eigenen Beobachtungen aus der Bildungsarbeit, um eine ganzheitliche Methode für Lehr- und Lernprozesse zu schaffen

Das Hauptziel des 4MAT-Systems ist es, die Vielfalt der Lernstile in einer Gruppe zu berücksichtigen und Lehrenden – sei es in Schulen, Seminaren oder Unternehmen – ein Werkzeug an die Hand zu geben, um den Lernprozess ausgewogen zu gestalten. Es sollte sicherstellen, dass jede Phase des Lernens abgedeckt wird, damit sowohl die Wahrnehmung als auch die Verarbeitung von Informationen effektiv unterstützt werden.

McCarthy ging also über Kolbs Arbeiten weit hinaus, indem sie es um die Frage der praktischen Umsetzbarkeit in Lehr- und Trainingssituationen ergänzte. Ihr Ziel war es, ein System zu schaffen, das nicht nur theoretisch fundiert ist, sondern auch direkt im Unterricht oder in Seminaren angewendet werden kann, um Lernen für alle Teilnehmenden zugänglicher und effektiver zu machen – unabhängig davon, ob sie bevorzugt reflektierend, praktisch, analytisch oder kreativ lernen.

Was ist das 4MAT-System?

Das 4MAT-System basiert auf der Annahme, dass Menschen auf unterschiedliche Weise lernen. Es kombiniert dabei zwei wesentliche Dimensionen:

  1. Wahrnehmungsdimension :  Menschen nehmen Informationen unterschiedlich wahr – konkret (durch Erfahrung) oder abstrakt (durch Konzepte)
  2. Verarbeitungsdimension :Menschen verarbeiten Informationen entweder reflektierend (durch Nachdenken) oder aktiv (durch Ausprobieren).
Grafische Darstellung des 4MAT-Systems mit den Wahrnehmungs- und Verarbeitungsdimensionen
Das 4MAT-System visualisiert die vier Hauptlernweisen basierend auf Wahrnehmungs- und Verarbeitungsdimensionen © World of NLP

Aus dieser Kombination ergeben sich vier Lerntypen, die in Form eines Kreislaufs dargestellt werden. McCarthy nutzte diese Erkenntnisse, um einen Kreislauf des Lernens zu entwickeln, der aufeinander aufbaut und sicherstellt, dass alle Teilnehmenden während eines Seminars ihre bevorzugte Phase des Lernens durchlaufen können, während sie gleichzeitig von den anderen profitieren.

Die vier Quadranten des 4MAT-Systems

1. Quadrant 1: Warum? – Der Erfahrungsorientierte

Der erste Quadrant richtet sich an diejenigen, die lernen, indem sie eine persönliche Verbindung zum Thema herstellen. Diese Menschen fragen sich: „ Warum ist dieses Thema wichtig? Wie betrifft es mich persönlich? ” Der Quadrant wird durch die Frage: „Warum?” repräsentiert. In dieser Phase fühlen sich besonders diejenigen angesprochen, die emotional und erfahrungsorientiert lernen. Sie wollen verstehen, warum das Thema für sie relevant ist und wie es in ihrem Leben oder Arbeitskontext eine Rolle spielt. Diese Menschen profitieren besonders von Geschichten, Diskussionen oder persönlichen Reflexlexionen, die den Inhalt mit ihrem Alltag verknüpfen. Wenn Du ein Seminar mit einer packenden Anekdote oder einer provokanten Frage beginnst, sprichst Du genau diese Gruppe an und schaffst gleichzeitig die Grundlage für die Motivation der gesamten Gruppe. Diese Phase schafft Neugier und Relevanz. Sie ist entscheidend, um die emotionale Verbindung zum Thema herzustellen.

2. Quadrant 2: Was? – Der Analytische

Der zweite Quadrant spricht die Denker und Denkerinnen an, die eine klare und logische Struktur suchen. Sie wollen die Fakten, die Theorie und die Konzepte verstehen. Ihre Frage lautet: „ Was genau ist das? Was sind die Grundlagen?

Im zweiten Quadranten geht es um die Frage „Was?”. Hier steht die Vermittlung von Wissen und Theorie im Mittelpunkt. Teilnehmende, die analytisch und logisch lernen, fühlen sich in dieser Phase besonders wohl. Sie suchen nach Strukturen, Fakten und Erklärungen, die ihnen helfen, den Stoff auf einer intellektuellen Ebene zu verstehen. Als Trainerin oder Trainer kannst Du in dieser Phase Modelle erklären, Hintergründe aufzeigen oder wissenschaftliche Konzepte präsentieren, die die Grundlage für das Thema bilden. Beispielsweise könntest Du die Ursprünge und Prinzipien des 4MAT-Systems selbst vorstellen, um Deinen Teilnehmenden ein klares Verständnis davon zu vermitteln, worum es geht und warum der Ansatz effektiv ist.

3. Quadrant 3: Wie? – Der Praktiker

Der dritte Quadrant richtet sich an jene, die durch aktives Handeln lernen. Sie wollen wissen: „ Wie funktioniert das in der Praxis? Was kann ich damit machen?

Der dritte Quadrant des 4MAT-Systems stellt die Frage „Wie?” in den Mittelpunkt. In dieser Phase fühlen sich Menschen angesprochen, die durch praktisches Tun lernen. Sie möchten ausprobieren, experimentieren und direkt erleben, wie die Theorie angewendet werden kann. Übungen, Rollenspiele, Gruppenaufgaben oder Simulationen sind in dieser Phase besonders effektiv. Wenn Du Deine Teilnehmerinnen und Teilnehmer beispielsweise in Gruppen einteilst und sie eine Anwendung des 4MAT-Systems auf ihre eigenen Trainings planen lässt, lernen sie nicht nur, sondern entwickeln gleichzeitig auch eine tiefergehende Verbindung zu den vermittelten Inhalten. Diese Phase ist besonders wichtig, weil sie die Brücke zwischen Theorie und Praxis schlägt. Hier wird das Verständnis in konkrete Handlungskompetenz umgewandelt.

4. Quadrant 4: Was wäre, wenn? – Der Visionär

Der vierte Quadrant richtet sich an kreative und visionäre Lerntypen, die sich fragen: „ Was kann ich noch alles damit machen? Wie kann ich das Gelernte in meinem eigenen Kontext anpassen?

Im vierten Quadranten schließlich steht die Frage „Was wäre, wenn?” im Fokus. Diese Phase richtet sich an visionäre und kreative Lerntypen, die nach neuen Möglichkeiten und Anpassungen suchen. Hier können Deine Teilnehmenden überlegen, wie sie das Gelernte in ihrem individuellen Kontext anwenden können, und innovative Ideen entwickeln, um es auf neue Herausforderungen zu übertragen. Offene Diskussionen, Brainstorming-Sitzungen oder Reflexionen darüber, wie sich das Gelernte in andere Szenarien übertragen lässt, sind hier zentrale Methoden. Diese Phase sorgt dafür, dass Deine Teilnehmer und Teilnehmerinnen nicht nur das Gelernte anwenden, sondern auch langfristig in ihren Alltag integrieren können. Es geht also um Transfer und Innovation.

Der Kreislauf des Lernens

Das Besondere am 4MAT-System ist sein Kreislauf. Jedes Lernsegment (Warum, Was, Wie, Was wäre, wenn) baut auf dem vorherigen auf und ist zugleich mit den anderen verbunden. Deine Aufgabe ist es, diesen Kreislauf in Deiner Seminarplanung abzubilden, damit Du alle Lerntypen ansprichst.

Warum der Kreislauf so wichtig ist:

  • Ganzheitlichkeit : Jeder Teilnehmer wird in mindestens einer Phase besonders angesprochen, profitiert aber auch von den anderen Phasen.
  • Flexibilität : Der Kreislauf ist universell und kann auf nahezu jedes Thema angewendet werden – egal, ob es um Soft Skills, Technik oder Kreativität geht.
  • Nachhaltigkeit : Teilnehmer:innen behalten das Gelernte besser, weil sie es auf verschiedenen Ebenen erlebt haben.

Konkrete Anwendung des 4MAT-Systems

Stell Dir vor, Du möchtest ein Seminar zum Thema „Feedback geben” durchführen. So könntest Du die vier Quadranten nutzen:

  1. Warum :Beginne mit einer persönlichen Geschichte oder Frage „ Wann habt Ihr zuletzt wirklich hilfreiches Feedback erhalten? Wie hat es sich angefühlt?
  2. Was : Erkläre die theoretischen Grundlagen : „Es gibt verschiedene Modelle, wie das Sandwich-Modell oder die 4F-Methode. Was ist der Unterschied zwischen konstruktivem und positivem Feedback?
  3. Wie : Lasse die Teilnehmenden Feedback in Paaren üben. „Formuliere positives Feedback zu einer Leistung Deines Partners und gebe ihm konstruktive Verbesserungsvorschläge
  4. Was wäre, wenn: Diskutiere alternative Szenarien: „ Wie könnte man Feedback im digitalen Raum oder in interkulturellen Teams gestalten?

Vorteile des 4MAT-Systems

Das 4MAT-System bietet Dir zahlreiche Vorteile:

  1. Vielfalt im Seminar : Du sprichst unterschiedliche Lernstile und Vorlieben an. Dies erhöht sowohl die Aufmerksamkeit als auch die Zufriedenheit der Teilnehmenden.
  2. Strukturierte Planung : Der Kreislauf bietet Dir eine klare Leitlinie, um komplexe Inhalte zu strukturieren. Er ist so einfach, dass Du ihn nach etwas Übung sogar spontan zu einem Thema durchführen kannst.
  3. Nachhaltiges Lernen :  Deine Teilnehmenden behalten das Gelernte besser, da es nicht nur auf einer Ebene vermittelt wird.
  4. Flexibilität : Das Modell ist universell einsetzbar und eignet sich für Workshops, Unterricht, Online-Trainings und mehr.

Fazit: Das 4MAT-System als Schlüssel für erfolgreiche Seminar

Das 4MAT-System ist ein unschätzbares Werkzeug für Dich Trainer oder Trainerin. Es hilft Dir, Deine Seminare so zu gestalten, dass sie ganzheitlich und ansprechend sind – für jeden Teilnehmer. Durch die vier Quadranten des „Warum”, „Was”, „Wie” und „Was wäre, wenn” kannst Du die Bedürfnisse aller Lerntypen abdecken und eine optimale Lernumgebung schaffen.

Probiere das 4MAT-System in Deiner nächsten Veranstaltung aus, und erlebe, wie es Deine Teilnehmenden motiviert und ihre Lernerfahrungen vertieft. Es wird nicht nur Deine Trainings verbessern, sondern auch Deine Fähigkeiten als Trainer oder Trainerin auf ein neues Level heben.

Kolb, David A. *Experiential Learning: Experience as the Source of Learning and Development.* (1984).

Portrait von Stephan Landsiedel.

Stephan Landsiedel ist Diplom Psychologe und NLP Ausbilder.

Stephan Landsiedel
Autor